Geschichte

Geschichte: Schönherr, Glaube und Heimat
Aufführung von Schönherrs „Glaube und Heimat“ 1982. Die Hauptrolle, den „Rott“ spielte Richard Haller (rechts, stehend) (Foto: Stefan Dietrich)

Sie wurden 1981 zu einer Zeit gegründet, als die Begriffe „Volksschauspiel“ und „Volkstheater“ keinen besonders guten Klang hatten. Zum einen verband man damit amateurhafte Dorfbühnen, die seichte Liebeskomödien und Wildererdramen aufführten, zum anderen haftete den bedeutenderen Autoren des Genres wie Karl Schönherr und Franz Kranewitter noch der „Blut und Boden“-Geruch aus der NS-Zeit an. Zur Gründung der Sommerspiele fanden sich Anfang der 1980er-Jahre mehrere namhafte Schauspieler und Theaterleute der jüngeren Generation zusammen, die meisten davon mit Tiroler Wurzeln. Ziel war es, dem Volkstheater neue Impulse zu geben und dabei möglichst hohe Qualität zu bieten.

Zu den „Gründervätern“ zählten Kurt Weinzierl, Dietmar Schönherr, Otto Grünmandl, Josef Kuderna – um nur einige zu nennen. Von Anfang an war auch Felix Mitterer dabei, der 1977 mit seinem kritischen Volksstück „Kein Platz für Idioten“ den Durchbruch als Theaterautor geschafft hatte. Vor allem mit ihm verband sich die Absicht, neben der Neuinterpretation von Volksschauspiel-Klassikern auch Gegenwartsstücke junger Autorinnen auf die Bühne zu bringen. Ziel war, wie es später Ruth Drexel formulierte, „Volkstheater als Instrument zur kritischen Auseinandersetzung mit der gelebten Realität“ auf die Bühne zu bringen; die Volksschauspiele sollten „klug, scharf und unterhaltsam, aber unabhängig vom Bildungshintergrund verständlich“ sein.

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Die ersten Tiroler Volksschauspiele gingen im Sommer 1981 mit einer vielbeachteten Aufführung Franz Kranewitters Einakterzyklus „Die sieben Todsünden“ im Innenhof der Burg Hasegg über die Bühne. bei der Fortsetzung der Spiele im folgenden Jahr kam es zu einer Kontroverse, die längst ein Teil der Tiroler Theater- und Kulturgeschichte geworden ist und dazu führte, dass das Theaterfestival – wie sich herausstellte dauerhaft – nach Telfs übersiedelte. Die geplante Aufführung von Felix Mitterers Passion „Stigma“ wurde 1982 in Hall aufgrund von Blasphemievorwürfen verweigert. Kurzfristig fanden die noch jungen Volksschauspiele in der Marktgemeinde Telfs eine neue Heimstätte, wo sie vom Bürgermeister Helmut Kopp und Kulturreferent Emil Ladstätter – allen Widerständen und sogar Bombendrohungen zum Trotz – mit offenen Armen aufgenommen wurden.

Im Ruinen-ambiente des teilweise abgebrochenen alten Rathaussaals wurden 1982 neben Mitterers „Stigma“, das Ruth Drexel inszenierte, auch „Glaube und Heimat“ von Karl Schönherr und „Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter“ von Fritz von Herzmanovsky-Orlando aufgeführt. Mit der Wahl des aus der NS-Zeit stammenden, aber schon dem Untergang geweihten Saales als Aufführungsort wurde bereits im ersten Jahr eine Tradition begründet, die zum Markenzeichen der Volksschauspiele werden sollte: man suchte und fand immer wieder neue, ungewöhnliche Spielstätten – von der desolaten Fabrikhalle über den Gipfel der Hohen Munde bis zur Waldlichtung, dem Becken des Hallenbades und den Abbruchhäusern der Südtiroler-Siedlung…

An diesen und anderen Spielorten fanden in den folgenden Jahren viel diskutierte Klassiker-Inszenierungen, aber auch aufsehenerregende Uraufführungen statt. So erblickten zahlreiche Stücke von Felix Mitterer in Telfs das Licht der Theaterwelt, darunter – neben dem bereits erwähnten „Stigma“ – „Sibirien“ (1989), das auf dem Telfer Hausberg aufgeführte „Munde“ (1990), „Mein Ungeheuer“ (2000), „Gaismair“ (2001), „Die Beichte“ (2004), „1809 – Mein bestes Jahr“ (2009) und zuletzt „Verkaufte Heimat“ (2019).

Daneben wurden zahlreiche weitere zeitgenössische Autorinnen inszeniert, darunter Lothar Greger, Luis Zagler, Lida Winiewicz, Franz Xaver Kroetz, Klaus Händl, Herbert Achterbusch und Georg Ringsgwandl. Ebenfalls eindrucksvoll ist die Liste der im Lauf der Jahrzehnte aufgeführten Klassiker: neben den Tiroler Volkstheater-Größen Schönherr und Kranewitter waren u. a. Stücke von Horvath, Hestroy, Shakespeare, Sartre, Goethe, Brecht, Schiller, Raimund und Kleist zu sehen. Garant für die Einzigartigkeit und das hohe Niveau der Tiroler Volksschauspiele war von Beginn an eine Führungsriege aus bemerkenswerten Theaterpersönlichkeiten, die den Vorstand des Vereins „Tiroler Volksschauspiele“ bildeten und alljährlich im Sommer eine illustre Runde von Größen der deutschsprachigen Schauspiel- und Regieszene in Telfs versammelten. Bis 1985 war Dietmar Schönherr Obmann des Vereins. Ihm folgten Hans Brenner und 1998 Ruth Drexel nach. Von 2009 bis 2019 war Markus Völlenklee Obmann.

Im Jahr 2019 entschloss man sich, dem Theaterfestival, das längst den Vereinsstrukturen entwachsen war, eine neue Organisationsform zu geben und gründete eine GmbH der Marktgemeinde Telfs. Als künstlerischer Leiter wurde der renommierte deutsche Theatermacher Christoph Nix bestellt, der nach dem Corona-bedingten Pausieren des Theaterevents im Jahr 2020 in der Saison 2021 erstmals das Programm der Tiroler Volksschauspiele gestaltete.

Seit 01.10.2022 zeichnet Gregor Bloéb für die Künstlerische Leitung der Tiroler Volksschauspiele verantwortlich.

Dr. Stefan Dietrich

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